Nicole Seifert – „Einige Herren sagten etwas dazu.“ Die Autorinnen der Gruppe 47

Lesende, schreibende, kritisierende Frauen reden sich seit Jahren den Mund fusselig, mindestens seit den 1970ern mühen sich forschende, lektorierende und verlegende Frauen in wahrer Sisyphosarbeit darum, doch die Strukturen sind zäh und träge, wenn es darum geht, Schriftstellerinnen sichtbar zu machen und vor allem in der Literaturgeschichtsschreibung sichtbar zu halten.

Die Gründe dafür sind vielfältig, im Grunde aber eben doch recht einfach auf patriarchale Strukturen zurückführbar, die unsere Gesellschaft eben prägen. Nicole Seifert hat sie ausführlich in ihrem letzten Buch „FrauenLiteratur. Abgewertet, vergessen, wiederentdeckt“ beschrieben, nun verdeutlicht sie die hinter der Abwertung und Verdrängung der Texte von Schriftstellerinnen liegenden Mechanismen und Strukturen exemplarisch durch eine Untersuchung des Umgangs der Gruppe 47 und des Literaturbetriebs der alten Bundesrepublik mit Autorinnen, die an Treffen der Gruppe 47 teilgenommen hatten.

Schon seit Jahren wird berechtigterweise am Mythos „Gruppe 47“ gerüttelt, insbesondere deswegen, weil die Gruppe Schreibende, die nach 1945 aus dem Exil zurückgekehrt waren, systematisch ausschloss und sich mit der Zeit des Nationalsozialismus nicht auseinandersetzte. Diese Kritikpunkte bezieht Nicole Seifert durchgehend ein, stellt aber eben einen weiteren in den Fokus: Sie belegt nicht nur, was offensichtlich ist, wenn man bereit ist, auf solche Dinge zu achten, nämlich dass man nun beileibe nicht von einem ausgewogenen Verhältnis der Geschlechter in der Gruppe 47 sprechen kann. Sondern sie liest zahlreiches längst veröffentlichtes Material von der Gruppe 47 oder über sie mit einem anderen Blick, der offenlegt, wie die wenigen Autorinnen, die an den Tagungen teilgenommen haben, immer wieder auf ihr Äußeres reduziert, zu Klischees weiblicher Rollenbilder verzerrt und somit als Schriftstellerinnen abgekanzelt worden sind. Eine Auseinandersetzung mit ihren Texten trat immer wieder in den Hintergrund, sie wurde immer von einem männlichen Blick auf die Autorinnen als Frauen überstrahlt.

Kapitelweise stellt Nicole Seifert die Schriftstellerinnen, die bei Tagungen der Gruppe 47 vorgelesen haben, mit ihren Biografien und ihrem jeweiligen Werk vor. So leistet ihr Sachbuch beides: Einerseits arbeitet es kritisch die Geschichte der Gruppe 47 auf, andererseits stellt sie ganz überwiegend Autorinnen, die leider in Vergessenheit geraten sind, mit ihrem Werk neu vor, so dass man am Ende Seiferts Buch mit einigen Neuentdeckungen und einer recht langen Leseliste zuschlägt.

Dabei sind es immer wieder schlicht Zitate, die sich selbst entlarven – die aber auch von Nicole Seifert eben dazu sehr präzise ausgewählt und in einen entlarvenden Kontext gestellt werden, so dass deutlich wird, was hier eben alles gesagt und impliziert wird, etwa wenn Gisela Elsner als Kleopatra oder Barbara Köhler als Mischung zwischen „Schlange und Katze“ beschrieben wird. Das wäre alles – auch aufgrund des auf eine immer wieder gute Art bissigen Humors, mit dem das Buch geschrieben ist – fast lustig, wenn es nur nicht in seinen Folgen, die deutlich herausgearbeitet werden, so traurig wäre: Die allermeisten der Autorinnen, die vor der Gruppe 47 gelesen haben, sind in Vergessenheit geraten, breitere Bekanntheit erfährt nur noch Ingeborg Bachmann und auch bei ihr scheint das Liebesleben manche mehr zu interessieren als das Werk. Einige der Autorinnen haben das Schreiben aufgehört.

„Einige Herren sagten etwas dazu“ ist nicht nur ein wirklich sehr gut lesbares, unterhaltsames und gründlich recherchiertes Buch über die Gruppe 47, sondern auch eines über die Probleme von Schriftstellerinnen im Literaturbetrieb im Generellen, zudem ist es ein Buch, das zum Neulesen und Wiederentdecken einlädt. Auch wenn man sich für deutschsprachige Literaturgeschichte nicht interessieren sollte: Dieses Buch zu lesen lohnt sich.

(Beitragsbild von Austrian National Library auf Unsplash)


Ein Gedanke zu “Nicole Seifert – „Einige Herren sagten etwas dazu.“ Die Autorinnen der Gruppe 47

  1. Definitiv eine der wichtigsten Veröffentlichungen dieses Jahr! Endlich wurde diese Seite der Gruppe 47 offengelegt.

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