In diesem Roman, der durch die an ihn angelehnte Amazon-Serie „The Man in the High Castle“ wieder etwas an Bekanntheit gewonnen hat, entwirft Philip K. Dick, der ja auch die Grundlagen für Filme wie Blade Runner, Total Recall und Minority Report schrieb und den man deswegen ruhig hin und wieder lesen könnte, eine kontrafaktische alternative Geschichte: Der zweite Weltkrieg wurde nicht von den Alliierten, sondern von Deutschland und Japan gewonnen, die sich nun in einer Art kaltem Krieg zu befinden scheinen, Amerika wurde in Besatzungszonen und eine neutrale Zwischenzone in den Rocky Mountains aufgeteilt, die folglich der Rückzugsort für alle die wird, die sich aus unterschiedlichsten Gründen verstecken müssen. Hier lebt auch Hawthorne Abendsen, der Autor des fiktiven Bestsellers „Die Plage der Heuschrecke“ (in der älteren Übersetzung lautet der Titel etwas anders, in jedem Fall handelt es sich aber um eine alttestamentarische Anspielung). Dieses Buch ist in den von Deutschland kontrollierten Gebieten verboten, in den japanischen wie neutralen Zonen dagegen nicht und es entwirft eine Welt, in der Japan und Deutschland den Krieg verloren haben und die Alliierten gewonnen haben. Dick spielt mit Realität und mit der Frage, ob es so etwas wie objektive Erkenntnis der Realität überhaupt gibt – das spiegelt sich in zahlreichen Details, bis hin zu der Reflexion der Frage, dass jeder Leser des genannten Bestsellers diesen auf eine andere Art, aus seinem eigenen Weltbild heraus zu lesen scheint. Und nicht zuletzt stellt er nebenbei im Aufzeigen all der alternativen Geschichtsverläufe und Sichtweisen auf Geschichte die Frage, ob es auch so etwas wie eine gute Lösung in der Geschichte gibt – schon dafür, wie Philip Dick hier über die eigentliche Handlung des Buches hinaus grundsätzliche allgemeinmenschliche Fragen miteinander verwebt, lohnt sich die Lektüre unbedingt.
Dazu trägt auch bei, dass hier das Naziregime nicht, wie ich es zunächst befürchtet habe, zur bloßen Staffage benutzt und damit bagatellisiert wird. Schade ist allerdings, dass einige esoterische Züge, die die zentrale Bedeutung mit sich bringt, die dem I Ging-Orakel in dem Buch zukommt, sich mir immer so völlig entziehen, zudem kommt Frauen (auch im Fall von Juliana) nur eine passive, reagierende Rolle zu, sie können in Geschichte kaum direkt eingreifen, scheinen auch den Wunsch danach kaum zu haben; die Handelnden sind Männer. Ob das zur Ideologie des Buches oder zur Ideologie der Entstehungszeit, den USA der 1960er, gehört, wage ich nach so oberflächlicher Beschäftigung mit dem Buch nicht zu beurteilen. Ähnliches gilt für die Homophobie und die stereotype Darstellung unterschiedlicher Rassen – gerade der letztere Punkt ist in einer Welt, die maßgeblich von einem rassistischen Deutschland kontrolliert wird, wohl unumgänglich, bei ersterem Punkt bin ich mir da nicht so sicher.
Nichts desto trotz: Habe ich gern gelesen.
Ein Gedanke zu “Philip K. Dick – Das Orakel vom Berge”