Dass man langsam alt wird, erkennt man daran, dass einen Dinge nerven, die man vielleicht vor fünf Jahren noch nicht einmal bemerkt hätte. Oder daran, dass man manche Dinge nicht mehr versteht, die jüngere Menschen so von sich geben oder tun. Dann seufzt man leise und fühlt sich ein bisschen müde. So ging es mir leider auch mit Helene Hegemanns „Jage zwei Tiger“. Eigentlich wollte ich mich ja mit dieser Lektüre selbst eines Besseren belehren, schließlich gehört meine ablehnende Haltung Helene Hegemann gegenüber fest zu meinen Vorurteilen. Zumindest das konnte ich aber relativieren.
Ich habe dieses Buch extra auf eine lange Zugfahrt mitgenommen, damit ich auch wirklich gezwungen bin, das zu lesen. War wohl auch ganz gut so, sonst hätte ich nach den ersten Seiten aufgehört. Erzählt wird die einzige Geschichte, die Helene Hegemann anscheinend erzählen kann, nämlich die von Jugendlichen und Wohlstandsverwahrlosung: Drei Teenager werden durch unterschiedliche Umstände aus ihren Lebenszusammenhängen gerissen – oder aber diese Lebenszusammenhänge haben nie wirklich existiert – und begeben sich auf die Suche nach Halt, Sinn, einem Ankommen. Dass mir das Buch daher inhaltlich nicht viel gesagt hat, mag vielleicht am Plot liegen – allerdings gibt es Bücher, die sich um ähnliche Probleme bemühen (z.B. Krachts „Faserland“), welche ich sehr schätze, da ihnen das gelingt, was eben guter Literatur gelingen sollte: Sie stellen grundsätzliche Fragen. Das gelingt Hegemann nicht, eher spiegelt das Buch eben Gedanken eines jugendlichen Menschen, der auf einmal die Metaphysik für sich entdeckt hat und sich jetzt wahnsinnig tiefsinnig fühlt. Ist man aber mal Ende 20, so sind diese Erkenntnisse nicht mehr neu und die eigenen Probleme haben sich verändert, man bleibt bei diesem Buch dann mit dem Gefühl zurück, dass so etwas eben nur jemand am Ende seiner Teenagerzeit denken und schreiben konnte und dass auch nur jemand in diesem Alter derartig begeistert sein kann darüber, was er sich da aber jetzt schlaues gedacht hat. Ist man aus der Spätpubertät raus, bleibt dazu eigentlich nur ein gelangweiltes Achselzucken.
Zudem setzt Hegemann mehr auf den Effekt, den das schnelle Vorantreiben der Handlung sowie der ständige Wechsel zwischen den Figuren erzeugt, als auf Dauer zu setzen. Tatsächlich ist das Buch dort am besten, wo die Handlung mal über geschätzt 80 Seiten den Geschehnissen um Cecile folgt. 80 Seiten machen aber kein gutes Buch. Generell ist es ein Problem von „Jage zwei Tiger“, dass Hegemann sehr auf Effekte setzt, die aber eben in dieser Ballung kein gutes Buch ergeben, sondern zu Ermüdung führen. So wird Hegemann u.a. aufgrund ihrer Mischung von Slang und extrem hypotaktischem Satzbau als „sprachgewaltig“ bezeichnet, zumindest ich fand diese Sprache aber bereits auf Seite 3 ermüdend. Zudem springt einem aus jedem Satz förmlich entgegen, wie sehr sich die Autorin selbst zu ihrem Sprachstil applaudiert. Ähnlich wie bei Taiye Selasis „Diese Dinge geschehen nicht einfach so“ hat man das Gefühl, dass einem das Ego der Autorin aus jeder Seite entgegenschlägt. Dazu kommt die ständige Verwendung von Insiderwissen, bei dem man mit der Zeit das Gefühl hat, dass es Hegemann mehr darum ging, ihre eigenen Kenntnisse zu präsentieren, als ein gutes Buch zu schreiben. Dass der Leser manche Dinge vielleicht selbst überdenken und deuten möchte, ist Hegemann egal: Sie deutet konsequent alles was passiert selbst aus, der Leser könnte ja zu dumm dazu sein. Insgesamt bleibt beim Lesen das Gefühl, dass Helene Hegemann sich für ziemlich schlau, den Leser aber für ziemlich blöd hält. Das macht das Buch nicht besser.
Sicher hätte Helene Hegemann das Zeug dazu, eine wirklich gute Autorin zu sein. Soweit hat sich mein Vorurteil relativiert. Dazu müsste sie aber erst einmal wirklich schreiben und nicht nur sich selbst präsentieren wollen. Permanent hat man vor allem das Gefühl, dass Hegemann wirken will: Als besonders cool, als besonders reflektiert, als besonders schlau. Dadurch erreicht sie aber genau das alles nicht. Im Auge behalten kann man sie allemal, vor allem bleibt abzuwarten, ob Hegemann auch noch über irgendetwas anderes schreiben kann als über reiche, verwahrloste Jugendliche. „Jage zwei Tiger“ ist schrill, aber kein gutes Buch.
Danke, jetzt weiß ich, warum ich mir das nicht antun wollte.
Hegemann habe ich damals eine Chance gegeben mit Axolotl Roadkill, noch einmal tue ich mir das nicht an.
Danke, für die differenzierte Besprechung – ich hatte ja auch ein durchwachsenes Lektüreerlebnis bei diesem Buch. Ich glaube aber auch, dass Helene Hegemann es durch die übertriebenen medialen Erwartungen echt nicht leicht hat.